(Kiel) Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat soeben mit 6 : 2 Stimmen entschieden, dass die Pauschalierungsregelung des § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar ist. Sie verstößt weder gegen den Grundsatz einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit noch erweist sie sich als verfassungswidrige Durchbrechung des Grundsatzes der Folgerichtigkeit. Sie ist durch hinreichende, die Pauschalierung tragende Rechtfertigungsgründe gedeckt.

Darauf verweist der Kieler Steuerberater Jörg Passau, Vizepräsident und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DUV Deutscher Unternehmenssteuer Verband e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die am 18.11.2010 bekannt gegebene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12.10.2010 – 1 BvL 12/07.

Im Körperschaftsteuerrecht galt zwischen 2001 und 2008 und damit auch im Streitjahr 2005 das sog. Halbeinkünfteverfahren. Danach wurden die auf der Ebene der Körperschaft angefallenen Gewinne mit einem pauschalen Steuersatz und die ausgeschütteten Dividendeneinkünfte beim Gesellschafter sodann zur Hälfte mit dessen individuellen Einkommensteuersatz besteuert. So sollte im Ergebnis durch zwei Halbbelastungen eine volle steuerliche Belastung erreicht wurde. Seit 2009 gilt für im Betriebsvermögen gehaltene Beteiligungen das vergleichbar strukturierte Teileinkünfteverfahren.

Teil des Halbeinkünfte- und mittlerweile des Teileinkünfteverfahrens ist § 8b Körperschaftsteuergesetz (KStG), der die steuerliche Behandlung der Erträge von Körperschaften aus Beteiligungen an anderen Körperschaften (Bezüge und Veräußerungsgewinne) und der mit diesen Erträgen zusammenhängenden Aufwendungen und Gewinnminderungen regelt. Die Vorschrift will wirtschaftliche Doppelbelastungen auf Körperschaftsebene in Beteiligungsketten dadurch vermeiden, dass es bei einer einmaligen Körperschaftsteuerbelastung bleibt, bis der Gewinn die Ebene der Körperschaft verlässt und an eine natürliche Person ausgeschüttet wird. Zu diesem Zweck stellt § 8b Abs. 1 und 2 KStG sämtliche Erträge, die einer Kapitalgesellschaft aus der Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft zufließen, steuerfrei. Nach dem auch im Körperschaftsteuerrecht Anwendung findenden Grundsatz des § 3c Abs. 1 EStG können Aufwendungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen, nicht zusätzlich ertragsmindernd geltend gemacht werden. Nachdem es dem Gesetzgeber trotz mehrfacher Regelungsversuche nicht gelungen war, Zuordnungsschwierigkeiten zwischen danach nicht berücksichtigungsfähigen und berücksichtigungsfähigen Betriebsausgaben und damit einher gehende Missbrauchmöglichkeiten wirksam einzudämmen, bestimmte er mit § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG in der seit dem Jahr 2004 geltenden Fassung pauschal 5 % der steuerfreien Beteiligungserträge und Veräußerungsgewinne als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben (pauschaliertes Betriebsausgabenabzugsverbot). Dies geschieht in der Weise, dass 5% der steuerfreien Erträge dem zu versteuernden Einkommen der beteiligten Kapitalgesellschaft steuererhöhend hinzugerechnet werden, wobei es auf die Höhe der tatsächlich in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang entstandenen Betriebsausgaben nicht ankommt. Ein Abzug der mit der Beteiligung bzw. Anteilsveräußerung zusammenhängenden Betriebsausgaben bleibt darüber hinaus möglich.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, eine Holdinggesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, erzielte im Streitjahr 2005 einen Jahresüberschuss von rund 12 Millionen Euro, in dem im Wesentlichen ein Veräußerungsgewinn von etwa 11,6 Millionen Euro durch Verkauf der von ihr an der Tochtergesellschaft gehaltenen Aktien enthalten war. Zudem erzielte sie aus Beteiligungen Dividendenerträge von rund 700.000 Euro. Ihre mit den Beteiligungen verbundenen Betriebsausgaben beliefen sich dagegen auf lediglich knapp 28.000 Euro. Das Finanzamt rechnete im Rahmen der Körperschaftsteuerveranlagung nach § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG pauschal 5 % der Erträge, mithin insgesamt rund 600.000 Euro dem Gewinn der Klägerin hinzu. Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht dem Bundesverfassungsgericht im konkreten Normenkontrollverfahren die Frage vorgelegt, ob § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG insoweit mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist, als typisierend 5% der Bezüge und Veräußerungsgewinne als nichtabziehbare Betriebsausgaben einkommenserhöhend berücksichtigt werden, ohne dass der Nachweis niedrigerer Betriebsausgaben gestattet ist. 

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit 6 : 2 Stimmen entschieden, dass die Pauschalierungsregelung des § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar ist. Sie verstößt weder gegen den Grundsatz einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit noch erweist sie sich als verfassungswidrige Durchbrechung des Grundsatzes der Folgerichtigkeit. Sie ist durch hinreichende, die Pauschalierung tragende Rechtfertigungsgründe gedeckt. 

•        Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: 

Das pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot verletzt nicht den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Denn sie führt jedenfalls nicht ohne entsprechend gestiegene Leistungsfähigkeit der Körperschaft zu einer steuerlichen Belastung. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehindert, für die Beantwortung der Frage, ob bei einem Unternehmen ein grundsätzlich steuerbarer Leistungszuwachs eingetreten ist, an die rechtliche Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft, hier der Muttergesellschaft, anzuknüpfen. Dass die Beteiligungseinkünfte vom Gesetzgeber nach § 8b KStG grundsätzlich steuerfrei gestellt sind, ändert nichts daran, dass sie gleichwohl die steuerliche Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft erhöhen. Selbst wenn die Beteiligungseinkünfte bei der Muttergesellschaft mit Betriebsausgaben in einem Umfang von weniger als 5% der Einkünfte oder gar ganz ohne Betriebsausgaben erzielt worden sein sollten, geht die gleichwohl im Ergebnis um 5% „erhöhte Besteuerung“ nach der gesetzlichen Ausgestaltung doch stets mit einem weitaus höheren Zuwachs an leistungssteigernden Einnahmen, die von der Tochtergesellschaft zufließen, einher. 

Die pauschale Anordnung eines Abzugsverbots für Betriebsausgaben in Höhe von 5% der Bezüge und Veräußerungsgewinne verstößt auch nicht zu Lasten der Steuerpflichtigen gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit. Im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens bestimmt § 8b KStG zur Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbelastungen auf der Körperschaftsebene, dass Ausschüttungen und Veräußerungsgewinne zwischenkörperschaftsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften grundsätzlich nicht der Besteuerung unterliegen. Nach § 3c Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) können Aufwendungen, die mit steuerfreien Einnahmen im Zusammenhang stehen, nicht in Abzug gebracht werden. An diesen Grundgedanken knüpft § 8b Abs. 3 und Abs. 5 KStG an, indem er einerseits den § 3c Abs. 1 EStG für unanwendbar erklärt und damit den Betriebsausgabenabzug ungeachtet der Steuerfreiheit der damit verbundenen Erträge in grundsätzlich vollem Umfang erlaubt, andererseits aber durch das 5%ige pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot bei der Muttergesellschaft den ansonsten einschlägigen, allgemeinen Abzugsausschluss von Betriebsausgaben ersetzt. Die 5%ige Hinzurechnung der Beteiligungseinkünfte bewegt sich daher innerhalb des Gesamtkonzepts des Gesetzgebers für das Körperschaftsteuerrecht. 

Der Gesetzgeber hält sich mit der Vorschrift auch innerhalb seiner Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis. Denn das pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot verfolgt legitime und zur Rechtfertigung von Typisierungsregelungen grundsätzlich geeignete Ziele und ist in seiner konkreten Ausgestaltung mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Voraussetzungen einer zulässigen Typisierung vereinbar. 

Die mit der Vorschrift § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG verbundene Typisierung und Pauschalierung dient der Vereinfachung der steuerlichen Behandlung von Beteiligungen, da zum einen die nach der früheren Rechtlage erforderliche und im Einzelfall schwierige Zuordnung von Finanzierungsaufwendungen und sonstigen Aufwendungen zu den einzelnen Beteiligungen entfällt und zudem nunmehr eine einheitliche Behandlung von in- und ausländischen Beteiligungserträgen erlaubt ist. 

Des Weiteren beseitigt § 8b Abs. 3 und Abs. 5 KStG die steuerlichen Missbrauchsmöglichkeiten, die vor Inkrafttreten der Regelung trotz verschiedener gesetzgeberischer Korrekturversuche bestanden haben und auch vielfach genutzt wurden. So konnte das zuvor geltende Abzugsverbot nach § 3c Abs. 1 EStG insbesondere dadurch umgangen werden, dass vor allem finanzstarke Unternehmen Gewinnausschüttungen gezielt auf solche Veranlagungszeiträume konzentrierten, in denen die Darlehen zur Fremdfinanzierung ihrer Beteiligung zurückgezahlt und damit keine vom Abzugsverbot erfassten Aufwendungen mehr vorlagen (sog. „Ballooning“). Dadurch, dass die Versteuerung der Beteiligungseinkünfte durch die Hinzurechnung der nichtabziehbaren Betriebsausgaben in pauschalierter Höhe nunmehr jedes Mal im Fall der Gewinnausschüttung oder Anteilsveräußerung eintritt, hat das Einbehalten von Gewinnen seinen steuerlichen Vorteil größtenteils verloren. Die Einfügung einer sog. „Escape-Klausel“, wonach im Falle niedriger Betriebsausgaben die 5%ige Hinzurechnung auf die tatsächliche Höhe der angefallenen Betriebsausgaben gedeckelt werden könnte, würde dagegen neue Gestaltungs- und Umgehungsmöglichkeiten eröffnen, mit denen das Anliegen des Gesetzgebers einer Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs weithin unterlaufen werden könnte. 

Der Gesetzgeber darf sich bei der notwendigen Verallgemeinerung gesetzlicher Regelungen grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Von Verfassungs wegen ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber in den vorgelegten Bestimmungen von der realitätsnahen Annahme ausging, dass einer Muttergesellschaft für das Halten der Tochtergesellschaft Aufwendungen entstehen, und sich auf deren Pauschalierung in Höhe von 5% der Beteiligungseinkünfte festgelegt hat. Dass die Pauschalierung nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben an die Dividendenbezüge und Veräußerungsgewinne anknüpft, ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden. Denn die Annahme, dass die zu erwartenden Beteiligungsaufwendungen regelmäßig in einer gewissen Relation zur Ertragskraft der Beteiligungsgesellschaft stehen, erscheint mangels besser geeigneter Maßstäbe zumindest vertretbar. Die gesetzliche Festlegung auf einen Pauschalierungssatz in Höhe von 5% hat ebenfalls verfassungsrechtlich Bestand. Zwar hat der Gesetzgeber hierzu nicht auf statistische Erhebungen zurückgegriffen oder selbst solche Grundlagen die Pauschalierung geschaffen. Es spricht jedoch auch nichts dagegen, dass es sich – gerade mit Rücksicht auf die relativ geringe Höhe der Hinzurechnung – um eine plausible und damit vertretbare Annahme des Gesetzgebers handelt. Da kein Regelfall für die Finanzierungs- und Kostenstruktur im Konzern feststellbar ist, steht kein eindeutig geeigneteres Pauschalierungsmaß zur Verfügung, das der Gesetzgeber mit seiner Quote verfehlt haben könnte. 

Schließlich ist die durch den Pauschalierungseffekt der streitigen Vorschriften hervorgerufene Belastung als eher geringfügig einzustufen. Dieser führt nur dann zu einer ungleichen Belastung, wenn Aufwendungen überhaupt nicht oder nur in geringerer Höhe als 5% der Beteiligungserträge angefallen sind. Die Steuerlast ist aber verhältnismäßig gering, da nur 5% der steuerfreien Einnahmen hinzugerechnet und nach der im Vorlageverfahren maßgeblichen Rechtslage einem Steuersatz von 25% unterworfen werden, was einer effektiven Steuerbelastung der ansonsten steuerfreien Einnahmen von 1,25% entspricht. Zudem wird sich bei der Mehrzahl der Körperschaften die pauschale Hinzurechnung im Ergebnis als vorteilhaft erweisen, weil sie auch weit über 5 % liegende Betriebsausgaben uneingeschränkt geltend machen können. Damit erweisen sich die aus der Pauschalierung möglicherweise folgenden Härten einer ungleichen Belastung, zumal sie eher selten auftreten dürften, nicht als so gravierend, dass der Gesetzgeber den mit der Regelung verfolgten gewichtigen legitimen Zielen nicht hätte den Vorrang einräumen dürfen.

Passau empfahl, die Entscheidung zu beachten und ggfs. steuerlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auf den DUV Deutschen Unternehmenssteuer Verband – www.duv-verband.de – verwies.

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Jörg Passau
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