(Kiel) Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung von freiberuflich tätigen Lehrern und Dozenten an Fortbildungseinrichtungen wurden aufgrund eines Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) gelockert. Begründet wird dies damit, dass sich der Steuerpflichtige auf die insoweit weiter gefasste Befreiungsvorschrift nach dem EU-Recht berufen kann.

Eine vergleichbare Entwicklung, so der Hamburger Steuerberater Carsten Nesemann, Mitglied im DUV Deutscher Unternehmenssteuer Verband e. V. mit Sitz in Kiel, zeichnet sich im Bereich anderer Formen von Bildungsleistungen ab.

  1. EU-Recht als Maßstab

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) ist der „von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht“ von der Umsatzsteuer befreit. Darüber hinaus ist zu beachten, dass sich jede Befreiungsvorschrift an dem allgemeinen Maßstab einer „korrekten und einfachen“ Anwendbarkeit (vgl. Art. 131 MWStSystRL) messen lassen muss.

  1. Jüngere Rechtsprechung

Basierend auf diesen Grundsätzen haben deutsche Gerichte in zwei weiteren Fällen die Steuerbefreiung bejaht:

  1. Schwimmschule Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann sich eine Schwimmschule auf die EU-Norm berufen (Urteil vom 5. Juni 2014 – V R 19/13). Neben dem klassischem Schulunterricht und der Berufsausbildung erfasst die Befreiungsvorschrift nämlich auch Tätigkeiten, bei denen Kenntnisse und Fähigkeiten von Schülern oder Studenten vermittelt werden, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung Explizit mit Verweis auf das Kleinkindschwimmen betont der BFH, dass „an der Erlernung der Fähigkeit, schwimmen zu können, zum einen ein hohes Gemeinwohlinteresse besteht und zum anderen die Erlangung dieser Fähigkeit auch in öffentlichen Schulen unterrichtet wird.“ Offen gelassen wurde, ob auch das Babyschwimmen die Voraussetzungen für die Befreiung erfüllt, zu verneinen ist sie jedenfalls für Fitnesskurse (wie z.B. Aqua-Gymnastik), weil hier der Freizeitcharakter überwiegt.
  2. Kampfsportschule In einem weiteren Urteil (Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 9. Oktober 2014, 6 K 2249/12, Revision nicht zugelassen) wurde die Befreiung einer Kampfsportschule bejaht. Konfrontiert mit dem Argument, dass Kampfsportkurse den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben, konnte der Kläger substantiiert darlegen, dass in sämtlichen Kursen auch Kenntnisse in den Bereichen Gewaltprävention und Selbstverteidigung vermittelt werden. Weil der Kläger Gewaltprävention im vorliegenden Fall auch als ordentliches Schulfach an Schulen anbot, sah das Finanzgericht die EU-rechtlichen Vorgaben insoweit als erfüllt an.

III.        Schlussfolgerungen Das Auseinanderfallen der (restriktiven) deutschen und der (weiter gefassten) europäischen Befreiungsvorschrift in Kombination mit der oben genannten Rechtsprechung eröffnet Unternehmen im Bildungsbereich derzeit interessante Gestaltungsspielräume. Denn Steuerpflichtige können sich auf das EU-Recht berufen, können aber auch das deutsche Recht anwenden, sofern dies günstiger ist.

  1. Sofern die Erlöse derzeit als steuerpflichtige Umsätze behandelt werden, wäre zu prüfen, ob die Befreiung vorteilhaft wäre. Entscheidungserheblich ist, ob der Kunde zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und wie schwer der Verlust des Vorsteuerabzugs aus Eingangsleistungen der Bildungseinrichtung wiegt. Dies ist letztlich ein Rechenexempel. Zu bedenken ist ferner, dass die Befreiung grundsätzlich auch für vergangene Jahre erlangt werden kann, soweit diese Zeiträume noch nicht bestandskräftig veranlagt sind. Einschränkungen könnten sich diesbezüglich ergeben, wenn in den Ausgangsrechnungen die Steuer offen ausgewiesen ist. Denn diese wird gem. § 14c Umsatzsteuergesetz (UStG) geschuldet, auch wenn der Umsatz grundsätzlich befreit ist.
  2. Wie lange es diese Gestaltungsspielräume noch gibt, ist nicht absehbar. Zum einen ist zu erwarten, dass sich die Finanzverwaltung zu den o.g. Urteilen äußern wird (was im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung innerhalb Deutschlands auch wünschenswert wäre). Zum anderen ist anzumerken, dass die Anpassung der deutschen Befreiungsvorschrift für Bildungsleistungen im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2013 schon einmal auf der Agenda des Gesetzgebers stand. Es muss davon ausgegangen werden, dass dieser Punkt wieder aufgegriffen wird, weil der Widerspruch zum EU-Recht grundsätzlichen Binnenmarktprinzipien widerspricht. Abschließend ist anzumerken, dass eine EU-weite Harmonisierung der Befreiungsvorschriften im Bildungsbereich nicht nur aus Wettbewerbsgründen angezeigt ist, sondern insbesondere für die Anbieter von Online-Bildungsleistungen auch Voraussetzung für Rechtssicherheit ist. Hierbei handelt es sich unter gewissen Voraussetzungen um elektronische Dienstleistungen, die am Wohnsitz des nichtunternehmerischen Leistungsempfängers zu besteuern sind. Weil der Sitzort des Dienstleisters und der umsatzsteuerlicher Leistungsort auseinanderfallen können, muss der Anbieter nicht nur das lokale, sondern auch das ausländische Recht kennen.

Nesemann empfahl, dies zu beachten und ggfs. steuerlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auf den DUV Deutschen Unternehmenssteuer Verband – www.duv-verband.de – verwies.

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Carsten Nesemann
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