(Kiel) Am 25.11.2009 hatte das Niedersächsische Finanzgericht (NFG) entschieden, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber einzuholen, ob das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 in der für das Streitjahr 2007 geltenden Fassung verfassungswidrig ist.

Der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts (NFG hat nun am 22.04.2010 die schriftliche Begründung des Aussetzungs- und Vorlagebeschlusses (Az.: 7 K 143/08) veröffentlicht. so der Kieler Steuerberater Jörg Passau, Vizepräsident und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DUV Deutscher Unternehmenssteuer Verband e. V. mit Sitz in Kiel.

Seit 1991 (mit Unterbrechung) bzw. 1995 (durchgängig) wird der Solidaritätszuschlag im Wege einer Ergänzungsabgabe i.H.v. derzeit 5,5 % auf die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer erhoben. Das jährliche Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag beträgt derzeit rund 12 Mrd. EUR.

In dem anhängigen Verfahren (Az.: 7 K 143/08) ist streitig, ob dieser Zuschlag auch noch für das Jahr 2007 festgesetzt werden durfte.

Am 25.11.2009 hatte das NFG entschieden, das Klageverfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber einzuholen, ob das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 in der für das Streitjahr 2007 geltenden Fassung verfassungswidrig ist. Der 7. Senat hat jetzt die schriftliche Begründung des Aussetzungs- und Vorlagebeschlusses veröffentlicht.

Nach Auffassung des NFG ist der Solidaritätszuschlag 2007 verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber die vom Verfassungsgeber gesetzten Regeln der Finanzverfassung nicht beachtet hat:

1. Der Solidaritätszuschlag ist eine Ergänzungsabgabe i.S.d. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 des Grundgesetzes (GG). Nach den Vorstellungen des Verfassungsgebers ist eine solche Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer lediglich zur Deckung von „Bedarfsspitzen“ im Bundeshaushalt bestimmt. Sie darf deshalb nur in „Ausnahmelagen“ bzw. in „besonderen Notfällen“, nicht in Zeiten allgemeiner Steuertarifsenkungen erhoben werden. Das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 entspricht – bezogen auf das Streitjahr 2007 – nicht diesen Vorgaben, weil

– der Solidaritätszuschlag bereits seit dem Jahr 1995 unbefristet erhoben wird und dadurch zu einer Dauersteuer geworden ist,

– die Einkommensteuer- und Körperschaftsteuertarife seit dem Jahr 1995 mehrfach gesenkt worden sind und

– die Wiedervereinigung Deutschlands keinen nur vorübergehenden, sondern einen langfristigen Finanzierungsbedarf begründet hat.

2. Das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 verletzt deshalb bezogen auf das Streitjahr 2007 die Finanzverfassung und damit die „verfassungsmäßige Ordnung“ i.S.d. Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG. Es verstößt damit gegen das allgemeine Freiheitsrecht des Steuerpflichtigen und gegen das Rechtsstaatsprinzip.

Mit dieser Entscheidung folgt das NFG nicht der bisher anderslautenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), so betont Passau.

Der ursprüngliche Plan des Verfassungsgebers in den Jahren 1954/55 zeitgleich mit der Änderung des Art. 106 Abs. 1 GG ein „Gesetz über die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer“ einzuführen, wurde nicht umgesetzt. Dies deutet darauf hin, dass nach den maßgeblichen Vorstellungen des Verfassungsgebers eine Ergänzungsabgabe jedenfalls dann nicht erhoben werden darf, wenn gleichzeitig diejenige Steuer, nach der sich die Ergänzungsabgabe bemisst, gesenkt wird. Mit diesem Argument hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung bisher nicht auseinandergesetzt.

Der Auffassung des BVerfG und des BFH eine Ergänzungsabgabe dürfe jedenfalls dann dauerhaft erhoben werden, wenn sich nach ihrer Einführung für den Bund neue Aufgaben ergäben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichten, so dass damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden Ergänzungsabgabe möglich sei, folgt das vorlegende Gericht nicht.

Die fortdauernde Erhebung einer Ergänzungsabgabe mit wechselnder Begründung widerspricht den in den Materialien niedergelegten Vorstellungen des Verfassungsgebers des in den Jahren 1954/55 geschaffenen Finanzierungsinstituts. Die Annahme immer neuer Bedarfsspitzen, gleichsam die Annahme eines Finanzbedarfs“massivs“ – also die andauernde Umwidmung einer durchgängigen Ergänzungsabgabe ohne jeweils neuen Gesetzesbeschluss – entspricht nicht den Grundsätzen der Finanzverfassung (Art. 105 ff. GG).

Passau empfahl, den Fortgang zu beachten und ggfs. steuerlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auf den DUV Deutschen Unternehmenssteuer Verband – www.duv-verband.de – verwies.

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Jörg Passau
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